Samstag, 21.12.
Guten Morgen Ihr Lieben, heute geht es über Ungarn und Österreich nach Regensburg - 10 Stunden Fahrt warten auf uns...
Wir haben grade noch im Hotel gefrühstückt - nein, nicht das serbische Frühstück, mit dem die zehn Handwerker am Nachbartisch sich für den Tag gestärkt haben (fettige Wurst, gebratene
zentimeterdicke Schinkenscheiben mit dickem Fettrand und viele Eier), sondern Spiegeleier, Weißbrot und Marmelade...
Und jetzt sind wir seit einer Stunde "on the road again".
Die Nacht war... unruhig. Ich habe zwar mit Ohrstöpsel geschlafen und keine Geräusche von draußen oder drinnen mitgekriegt aber Lutz und ich sind nicht gewohnt, nur unter einer einzigen Decke zu
schlafen und sei sie noch so breit [Merke! Unbedingt bei IKEA eine Kuscheldecke für die Rückfahrt kaufen!]
Wir rollen uns beide sehr gerne in unsere Decke ein, was sich für eine einzige Nacht leider nicht so schnell abstellen lässt... Da Lutz aber morgen den ganzen Tag durch fahren muss, habe ich mich
brav die ganze Nacht bemüht, ihm die Decke nicht weg zu nehmen oder selber im Kalten zu liegen... Normalerweise bin ich eher ein ruhiger Schläfer... Leider fühlte sich die Matratze an, als hätte
die Wirtin ihren kompletten Vorrat an Winterkartoffeln darin gelagert, also musste ich mich spätestens jede halbe Stunde umdrehen, weil der Rücken sonst zu weh tat... Wenn ich mich nach links
gedreht habe, lag ich plötzlich ohne Decke da und musste mich vorsichtig wieder zudecken, ohne Lutz zu wecken... Und wenn ich mich nach rechts gedreht habe, hat sich die Decke schön mit gedreht
und ich habe mich schnell wieder entwurschtelt und die Decke zur Mitte geschoben, damit Lutz noch genügend Decke hat... Ich war also gut beschäftigt heute Nacht...
Dazu kam noch, dass Lutz im Laufe der Nacht immer wieder gerne ohne Kopfkissen auf dem Bauch schläft... Bei unserem Zwei-Meter-Bett zu Hause kein Problem... Bei diesem Einsvierzig-Hotel-Bett eine
logistische Herausforderung: Wohin mit dem sehr steifen Kopfkissen, das sich nicht mal eben so an das Kopfende knubbeln lässt?... Ihr ahnt es sicher schon... Im Tiefschlaf und festen Glauben, man
liegt zu Hause im breiten Bett, wandert das Kissen also mehrfach die Nacht ins Gesicht der Mitschläferin... die so unglaublich nett ist (der Chauffeur muss ja morgen gut ausgeruht sein), dass sie
das Kissen jedes Mal einfach vorsichtig wieder unter den Kopf des Gatten schiebt, anstatt ihn damit zu ersticken...
4.00 Inzwischen schlafe ich nur noch sehr unruhig, weil die Kartoffeln meinem Rücken so zugesetzt haben, dass ich kaum noch liegen kann...
6.00 Ich werde endgültig wach, weil das Hotel brennt!... Erst mal schnell die Ohrstöpsel raus... Ein beißender stinkender Qualm breitet sich im Zimmer aus, der meine sowieso sehr ausgetrockneten
Schleimhäute auf eine harte Probe stellt... Allerdings kommt der Qualm nicht aus dem Hotel, sondern zieht zum offenen Fenster rein...
Da hat wohl Jemand grade den Kamin angeschmissen... Womit heizt der denn?!... Riecht wie Weihrauch oder als würde jemand einen Berg Kiefernadeln verbrennen...
Nach fünf Minuten wird es besser und ich kann wieder atmen...
6.15 Oh nein! Der unbekannte Heizer hat noch eine Schippe nach gelegt!...
Gestern Abend haben wir nach dem Essen noch einen kleinen Spaziergang durch die Gemeinde gemacht und kamen unter anderem an einem Haus vorbei, vor dem bis zum Obergeschoss Sperrmüll lag - dachten
wir... Bei näherem Hinsehen wurde uns dann klar, dass es sich um das Brennholzlager des Hausbesitzers handelte:
verrottete Baumstümpfe, Bretter, Reste von Holzmöbeln... Aus dem Schornstein kam ein unglaublicher Qualm und es roch ganz ähnlich wie hier vor unserem Fenster...
Wahrscheinlich hat der Nachbar sich also grade Omas Nachttisch geschnappt, ihn klein gehackt und kurzerhand in den Kamin geschmissen... "Komm Omma, den brauchst du doch sowieso nicht mehr!... So,
guck! Jetzt haben wir es auch schön warm!..."
6.40 Der Nachttisch ist verheizt und qualmt nicht mehr, dafür bellt jetzt der Nachbarhund - ich fühle mich ganz wie Zuhause in Thessaloniki...
6.45 Auf dem Hof vor unserem Fenster herrscht reges Treiben: Licht an, Licht aus und ein Schiebetüren-Konzert... Die Handwerker, die hier auf Montage wohnen machen ihre Autos fertig...
7.00 Jetzt sind wir eh wach... Frühstück gibt es ab sechs Uhr, also packen wir auch alles zusammen und starten früh in den Tag. Umso früher sind wir dann heute Abend in Regensburg...
Lutz hat relativ gut geschlafen und ich kann ja nachher bequem im dicken breiten Mercedes die Augen noch mal zu machen. Alles gut...
9.50
Wir stehen an der ungarischen Grenze. Die Uhren haben sich schon auf MEZ umgestellt (eine Stunde zurück); wir haben Griechenland also jetzt auch was die Uhrzeit angeht hinter uns gelassen.
Vor der Grenze erwartet uns ein seltsames Phänomen: An jedem einzelnen Pöller sind alle fünf Meter mindestens dreißig Mülleimer hintereinander aufgehängt... Einige davon voll, aber die meisten
leer und drumherum liegt so viel Müll, wie auf einer Müllkippe... Was war denn hier los?... Wir finden nicht wirklich eine Erklärung... Lutz schlägt vor, dass die Mülleimer für die LKW-Fahrer
gedacht sind, die im Vorbeifahren die Eimer dann doch nicht getroffen haben???...
Puh... das dauert!!!... Ist man im EU-Zeitalter gar nicht mehr gewöhnt, an der Grenze zu warten... Aber die Serben kontrollieren schön jeden einzelnen Pass und an der ungarischen Grenzkontrolle
sind auch noch gut dreißig Autos vor uns... und obwohl wir schon in der Schlange für die EU-Citizens stehen dauert es pro Auto trotzdem zwei bis drei Minuten... auf ein bis zwei Stündchen können
wir uns also einstellen... Kindheitserinnerungen kommen hoch - jeder Urlaub startet und endet mit ewigem Gewarte an der Grenze... Aber na gut. Hier geht es ja um was: Wir reisen wieder in die EU
ein! ... Noch fünf Autos vor uns... Zum Glück kommen danach ja dann keine Kontrollen mehr!...
11.10 Wir sind durch. Das war die gründlichste Kontrolle, die ich je erlebt habe. Drei Zöllner: Einer kontrolliert die Pässe, einer den Kofferraum und einer den Wageninnenraum inklusive unter die
Sitze gucken und fassen. Und das bei jedem einzelnen Auto. Plätzchen habe ich ihnen vorsichtshalber mal lieber nicht angeboten. Die haben so streng geguckt und hätten das vielleicht als
Bestechungsversuch aufgefasst...
Seit einer Stunde sind wir im Süden von Ungarn unterwegs und es ist genau so sterbenslangweilig wie heute morgen die Fahrt durch Nordserbien... eine toll ausgebaute fast grade Autobahn und rechts
uns links das weite Nichts...
Gut, hier in Südungarn stehen immerhin eine Menge komischer schmaler Bäumchen rum (Pappeln?) und ab und zu kommt immer mal ein romantisch halb verfallenes Häuschen, aber ansonsten sind die
Hauptattraktion die Bussarde, die alle fünf Kilometer auf einem Zaunpfahl sitzen und auf Beute warten. Ach ja und ein paar Rehe und jede Menge Zugvögel haben wir noch gesehen...
Ich könnte natürlich jetzt eigentlich endlich mal die Augen zu und ein Nickerchen machen, traue mich aber nicht, weil Lutz eben auch schon herzhaft gegähnt hat...
Mist! Ich hätte nicht meckern sollen, dass es zu langweilig ist! Jetzt gibt es Aufregung genug: Vollsperrung der Autobahn... eine halbe Stunde im Stau und dann runter von der Autobahn auf eine
Landstraße...
Wunderbar! Das Navi zeigt jetzt noch zehn Stunden einundzwanzig anstatt sechs Stunden einundzwanzig nach Regensburg an... Stöhn! Dann sind wir um halb zwölf da statt um halb acht und anstatt
schön essen zu gehen kriegen wir nur noch bei McDonalds einen Hamburger...
Ich gucke mal im Internet nach, was da passiert sein könnte und was uns erwartet. Dabei stoße ich auf die Meldung "100 Kilometer Stau: Massenkarambolage in Ungarn..." Ach du Scheiße!... Aber dann
sehe ich das Datum der Meldung: 2017 Puh! Und ansonsten gibt es keinerlei Meldungen... Also erst mal weiter über die Landstraße im Schneckentempo, weil sich hier natürlich jetzt der Stau von der
Autobahn knubbelt...
13.15 Wir dürfen wieder auf die Autobahn! Jippie!!! Dem Elend noch mal so grade eben entkommen! Vier Stunden gespart und mal eben auf dem platten Land statt an der teuren Autobahnraststätte
getankt, da nimmt man den Schlenker direkt etwas besser in Kauf...
13.50 Budapest:
Dauerregen, dreispurige Stadtautobahnen mit kilometerlangem Stau (Ich habe nachgeguckt: 150 km!!! Zum Glück auf der Gegenseite!!!), Bauhaus, Lidl, Burger King und McDonalds, viele viele
Überland-Strommasten und Windräder - Willkommen im Europa wie wir es kennen! Hier sieht es aus wie im Ruhrgebiet...
15.30 Grade sind wir über die Grenze von Ungarn nach Österreich gefahren:
Genau zwei Autos vor uns und ein freundlicher junger Beamter, der uns einfach durchwinkt. Willkommen in der EU!... Gut so! Denn wir haben immer noch fünf Stunden vor uns...
16.40 Scheiße... hier geht grade die Welt unter... heftigster Regen, dicker Nebel und seit einer Stunde ist es stockfinstere Nacht! Armer Lutz! Vier Stunden müssen wir noch - das ist ungefähr so
weit wie nach Freiburg und das finde ich schon immer entsetzlich weit... Ich habe ihm schon angeboten, die Buchung in Regensburg sausen zu lassen und hier irgendwo zu übernachten, aber er meint,
er ist noch fit genug und will weiter...
17.30 Direkt an der Autobahn ist ein Hofer (Aldi) bei dem wir uns mal eben für heute Abend und morgen Mittag mit Essen eindecken. Wenn wir jetzt gut durch kommen, sind wir um 20.30 in Regensburg
und dann werden wir bestimmt nicht noch fit genug sein, um Essen zu gehen...
Immer noch regnet es und ist nebelig und die Wetterkarte zeigt kein Ende in Sicht - im Gegenteil: von Salzburg her kommt eine Schneefront auf uns zu... Wenn wir Glück haben, sind wir ihr aber
vorher schon entwischt und es bleibt "nur" bei nebeligem Dauerregen...
18.30 Links geht die Autobahn nach Salzburg und wir fahren schön rechts nach Passau - mal sehen, wer schneller ist: Der Schnee oder wir!!!
19.00 Egal ob es schneit oder nicht... Wir kommen erst mal nicht weiter:
Unser Scheibenwischer hat den Geist auf gegeben... Ohne Worte! Was kann denn heute noch alles passieren?!...
Zum Glück waren wir direkt an der Ausfahrt nach Wels (50 km vor der deutschen Grenze), stehen da jetzt an einer Tankstelle, haben unsere Versicherung (mit Schutzbrief) angerufen und warten auf
den Abschleppdienst...
Mal sehen, wie es weiter geht... der Abend ist ja noch jung...
19.30 Inzwischen hat sich der Abschleppdienst auf unserem Handy gemeldet
und uns erzählt, was uns wohl erwartet:
Abschleppen zu einer Mercedes-Werkstatt, dort bis Montag warten, bis die geöffnet haben. Das Teil, das er als Übeltäter vermutet (der Scheibenwischer-Motor oder die Drehachse), muss bestellt
werden und wird dann im neuen Jahr erst eingebaut...
Himmlische Aussichten!... Heute Abend also auf jeden Fall noch hier ein Hotel suchen - Mist! In so einem Kaff! Zwei Tage vor Weihnachten! Verdammt Hacke!!! !!! !!!
Also noch mal mit der Versicherung telefoniert, ob die uns einen Mietwagen stellen. Mit dem Mietwagen dann am Montag hoch nach Essen und im Januar mit einem anderen Mietwagen wieder hier
runter... oder unser Auto nach Essen transportieren und es da reparieren lassen?...
20.30 Überraschung!!!
Wir sind wieder auf der Autobahn und riesige Steine fallen uns von Herzen und Schultern...
Vor einer halben Stunde kam endlich der Abschleppwagen, der auf dem Weg zu uns im Stau gestanden hatte und deshalb so spät kam... und zwar genau in dem Moment, in dem Lutz beschlossen hatte, noch
mal eben tanken zu gehen. Wir standen also nicht mehr an der Stelle die ich dem guten Mann genannt hatte, was dazu führte, dass der gelbe Abschleppwagen zwei Mal komplett die riesige Tankstelle
mit Waschanlage umrundete, während Lutz ihm zu Fuß hinterher lief und versuchte, ihn durch Winken auf sich aufmerksam zu machen. Nach der zweiten Runde hat es dann auch endlich geklappt und der
Mechaniker konnte sich unserem eigentlichen Problem widmen: Unserem Scheibenwischer!
Lutz musste den Wischer starten und wie vor zwei Stunden schon quälte der sich bis zur Mitte der Scheibe, blieb da für ein paar Sekunden hängen und quälte sich dann unendlich langsam auf die
andere Seite...
Das wars dann! Ab auf den Abschleppwagen wie schon angekündigt, dachte ich mir noch... da macht der gute Mann so eine Abdeckung am Scheibenwischergelenk ab, verschwindet für einen Moment, kommt mit einer Tube Fett wieder, schmiert das Fett an das Gelenk und... .. ... tatatata!!!! Ein Weihnachtswunder!!!...
Alles läuft wieder wie geschmiert - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes!
Ich hätte ihn küssen können vor Glück, habe dem erstaunten aber sehr erfreuten Mann aber stattdessen eine meiner Plätzchentüten in die Hand gedrückt.
Und dann nichts wie auf die Autobahn!
Unsere Vermieterin in Regensburg, die ich vorsichtshalber noch angerufen und uns für 22.30 angekündigt habe, meinte netterweise, das wäre gar kein Problem, sie sei immer lange wach...
Dann noch der Versicherung die gute Nachricht mitgeteilt, dass wie doch keinen Mietwagen brauchen...
Puh!... Alles noch mal gut gegangen!
Und der große Vorteil: Wir sind jetzt so voller Adrenalin, dass wir beide das Gefühl haben, wir könnten jetzt auch bis nach Essen durch fahren! Wir werden also locker bis nach Regensburg kommen,
ohne müde zu werden...
21.00 Deutsch-Österreichische Grenze:
Wieder ein extrem gut gelaunter Grenzbeamter, der uns freundlich durch winkt. Auf der Gegenfahrbahn wieder ein Mammutstau, aber wir fahren schön auf der leeren Autobahn... Regensburg wir
kommen!
Übrigens
Wir haben uns kaputt gelacht, als ich im Internet noch weiter nach der Ursache unserer Vollsperrung gesucht und eine Meldung von 2007 gefunden habe:
Damals war die Autobahn bei Budapest für mehrere Stunden gesperrt, weil ein LKW seine Fracht verloren hatte: tausende von lebenden Kaninchen...
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